Von der Datenkultur zur KI-Kultur

Wie Unternehmen aus datengetriebenem Handeln eine KI-getriebene Kultur formen
AI als Technologie ist angekommen. Sie ist ein fester Bestandteil unseres Arbeitsalltags geworden. Doch der Übergang von einer datengetriebenen zu einer KI-getriebenen Unternehmenskultur erfordert mehr als nur technologische Anpassungen – es braucht einen kulturellen Wandel.
In den letzten Jahren lag der Fokus vieler Unternehmen auf der Etablierung einer Data Culture, die Daten als strategische Ressource nutzt, um fundierte Entscheidungen zu treffen und Innovationen voranzutreiben. Doch während viele Organisationen noch daran arbeiten, eine robuste Datenkultur zu etablieren, verschiebt sich der Fokus zunehmend in Richtung einer AI Culture. Diese geht über die Nutzung von Daten hinaus und betrachtet KI als integralen Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Sie erweitert die Möglichkeiten von Datenanalysen erheblich und verändert neben Prozessen auch die Werte und Verhaltensweisen innerhalb von Unternehmen.
Während die Einführung einer Data Culture oft mit Problemen wie mangelnder Datenqualität, fehlendem Datenzugang und der Überwindung von Datensilos konfrontiert war, wirft die Entwicklung einer AI Culture ganz eigene Fragen auf. Hier stehen insbesondere ethische Bedenken bei der Nutzung von KI, die Notwendigkeit technischer Expertise und die Sicherstellung der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine im Vordergrund. Die Herausforderungen der Datenkultur bieten eine wertvolle Perspektive, um den Weg in eine von KI geprägte Zukunft zu ebnen. Kulturelle Aspekte sind eine grundsätzliche Basis sowohl für die richtige Nutzung von Daten als auch für den erfolgreichen Einsatz von KI. Wo sich Daten und KI-Kultur unterscheiden, warum es eine Transformation braucht und wie diese gelingt, schauen wir uns in diesem Artikel einmal genauer an.
Was bedeuten Data Culture und AI Culture?
Kultur lässt sich vereinfacht als "die Art und Weise, wie wir hier die Dinge handhaben" beschreiben. Datenkultur (engl. data culture) ist ein Teilbereich, beziehungsweise eine Ausprägung, der Unternehmenskultur. Sie spiegelt die Haltung und den Umgang eines Unternehmens mit Daten wider. Die Datenkultur beschreibt, wie Daten in die täglichen Arbeitsabläufe integriert werden, um Entscheidungsprozesse zu unterstützen und Innovationen voranzutreiben. Ein datengetriebenes Unternehmen legt Wert auf datengestützte Entscheidungen, fördert den Datenzugriff über verschiedene Abteilungen hinweg und unterstützt eine offene Kommunikation über Erkenntnisse.
Die AI-Kultur kann als Erweiterung der Datenkultur betrachtet werden, die einen tiefgreifenden Wandel in der Mentalität und den Verhaltensweisen innerhalb eines Unternehmens erfordert. Sie fördert Neugier, kontinuierliches Lernen und Experimentieren sowie die aktive Auseinandersetzung mit ethischen und sozialen Implikationen von KI. Die Unterschiede zwischen KI-Kultur und klassischer Datenkultur lassen sich anhand folgender Aspekte verdeutlichen:

Warum Kultur ein so wichtiger Aspekt ist
Die Unternehmenskultur ist im KI-Kontext nicht nur ein unterstützender Faktor, sondern ein zentraler Treiber für den Erfolg. Eine Umfrage der Boston Consulting Group (BCG) zeigt, dass Unternehmen, die sich auf den menschlichen Aspekt bei der Anwendung von KI konzentrieren, mit sechsmal höherer Wahrscheinlichkeit von den Vorteilen der KI profitieren.
Kultur bildet den Rahmen für die Akzeptanz, Nutzung und Weiterentwicklung von KI-Technologien und beeinflusst maßgeblich, wie Mitarbeitende mit den Chancen und Herausforderungen umgehen, die KI mit sich bringt. Sie gilt demnach als strategischer Faktor für langfristigen Erfolg.
Vorteile einer AI-driven Culture:
Wettbewerbsvorteil & Innovationsförderung
Eine KI-Kultur unterstützt Unternehmen dabei, neue Technologien proaktiv zu nutzen, anstatt nur auf Veränderungen zu reagieren. Sie ermöglicht es, Marktchancen schneller zu erkennen und innovative Lösungen zu entwickeln, die Wettbewerbsvorteile schaffen.
Effizienzsteigerung
Durch KI können Unternehmen ihre Entscheidungsprozesse beschleunigen und präziser gestalten. Dies führt zu einer höheren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an dynamische Marktanforderungen. Teams, die sich auf KI einlassen, profitieren von effizienteren Arbeitsabläufen.
Nutzung optimieren
Eine starke Kultur fördert die effektive Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Teams lernen, KI als Werkzeug zu verstehen, das ihre Arbeit unterstützt und verbessert. Sie motiviert Mitarbeitende, neue Einsatzmöglichkeiten für KI zu entdecken und kontinuierlich Verbesserungen vorzunehmen.
Skalierung von Geschäftsmodellen
Eine KI-Kultur ermöglicht es Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle effizient zu skalieren. KI kann Prozesse automatisieren, Datenanalysen beschleunigen und neue Geschäftsfelder erschließen, ohne dass dies zwangsläufig mit einer proportionalen Erhöhung der Ressourcen oder Kosten einhergeht.
Talente anziehen und halten
Eine zukunftsorientierte KI-Kultur signalisiert, dass ein Unternehmen Wert auf Innovation, Technologie und kontinuierliche Entwicklung legt. Dies macht es besonders attraktiv für hochqualifizierte Talente, die nach herausfordernden und visionären Arbeitsumgebungen suchen.
Wie gelingt die Transformation zu einer KI-Kultur?
Kultur kann nicht gekauft oder angeordnet werden. Sie entsteht durch verschiedene Einflussfaktoren. Als Rahmenwerk zur Etablierung einer Data Culture hat das Analystenhaus BARC sechs wichtige Handlungsfelder zur Orientierung erarbeitet. Diese Bereiche lassen sich adaptieren und gezielt auf die spezifischen Anforderungen einer KI-getriebenen Umgebung anwenden.

Facilitators: Strategie und Organisation
Die Facilitators des Frameworks bilden die strategische und organisatorische Basis für den erfolgreichen Einsatz von KI.
Strategy
Im traditionellen Data Culture Framework spielen klare Zielsetzungen und eine strategische Vision für den Umgang mit Daten eine zentrale Rolle. Wichtig dabei ist, dass die KI-Strategie ganzheitlich gedacht wird und mit der Unternehmensstrategie und den Unternehmenswerten vereinbar ist, da diese direkt auf den Unternehmenserfolg einzahlt. Dies beinhaltet das Verständnis und die Kommunikation der strategischen Vorteile von KI.
Leadership
Wie auch bei der Data Culture spielt die Führungsebene eine wichtige Rollen beim Erfolg. Führungskräfte müssen die Einführung von KI aktiv vorantreiben, klare Zielvorgaben formulieren und Verantwortlichkeiten schaffen. Sie sollten Vorbild sein, indem sie KI selbst nutzen und deren Vorteile demonstrieren.
Governance
Analog zur Data Governance umfasst KI-Governance Richtlinien für den Einsatz von KI. Dazu gehört der Umgang mit algorithmischen Verzerrungen (Bias), Datenschutz und Transparenz. Ziel ist es, vertrauenswürdige und nachvollziehbare KI-Systeme zu gewährleisten. Prozesse, Technologien und personelle Ressourcen sollten so ausgerichtet sein das die Verwaltung und der Schutz von Datenbeständen sowie hohe Datenqualität sichergestellt werden.
Enablers: Motivation und Weiterentwicklung
Die Enablers des Frameworks konzentrieren sich darauf, Mitarbeitende aktiv in die Nutzung und Weiterentwicklung von KI einzubinden.
Access
Mitarbeitende benötigen einfachen Zugang zu KI-Tools und Ressourcen sowie Daten. Die Infrastruktur sollte so gestaltet sein, dass sie die Nutzung von KI erleichtert. Das erfordert eine Investition in fortschrittliche KI-Tools. Darüber hinaus ist es wichtig, dass diese Technologien sowohl transparent als auch sicher sind, um Vertrauen in KI-gestützte Entscheidungen zu gewährleisten.
Literacy
Die Entwicklung einer AI Culture verlangt nach erweiterten Fähigkeiten von Mitarbeitern zur produktiven Nutzung. Schulungsprogramme sollten die Fähigkeit zur Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine fördern und darauf abzielen, die Belegschaft auf eine sich wandelnde Arbeitsumgebung vorzubereiten. Das ist nicht nur praktisch, sondern nach dem EU AI Act sogar Pflicht für Unternehmen, wo Mitarbeitende KI nutzen.
Data Communication
Da mit der Einführung von KI oft Angst und mangelnde Akzeptanz mit einhergehen ist Aufklärung essenziell. Es muss klar kommuniziert werden, wie KI funktioniert, welche Vorteile sie bietet und wie sie genutzt werden kann. Im Zusammenspiel mit den bereits genannten Maßnahmen fördert dies Akzeptanz und Vertrauen.
Wie führe ich eine AI-Kultur ein?
In einer Studie mit C-Level-Führungskräften von Fortune1000 Unternehmen gaben mehr als 92 % der Befragten Kultur als größtes Hindernis an, um wirklich Mehrwert mit KI zu generieren. Ansätze zur Überwindung dieser Hürden können sein:
Starte mit Early Adoptern
Nicht jeder muss direkt ein Daten- oder KI-Experte ab dem ersten Tag sein, um eine von KI getriebene Unternehmenskultur zu etablieren. Für den Start kann es sinnvoll sein, eine kleine Gruppe von “Early Adopters” zu identifizieren und zu befähigen. Oft reicht hier eine kritische Masse von 20 - 30 % der Belegschaft. Dieser Personenkreis sollte sich voll und ganz einbringen und durch die Kommunikation von Vorteilen, Wissenstransfer und Aufzeigen von Erfolgsstorys Schritt für Schritt Veränderung in Gang bringen.
Mitarbeiter einbinden und alte Muster ablegen
Je länger ein Unternehmen besteht, desto tiefer verwurzelt sind etablierte Handlungsweisen. Innovative Ansätze und moderne Strategien wie KI stehen häufig einem Kampf der fest verankerte Organisationskultur gegenüber und können den Prozess der Implementierung und Akzeptanz erheblich verlangsamen oder sogar behindern. Die Einbindung von Mitarbeitern in den Prozess ist daher essenziell. Feedback, Ideen und Bedenken sollten aktiv eingeholt werden. Dazu sind offene Kommunikationskanäle und interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig. Pilotprojekte können helfen, erste Erfolge zu erzielen und aus Erfahrungen zu lernen, bevor die KI-Strategie unternehmensweit ausgerollt wird.
Experimente zulassen
Die Etablierung einer KI-Kultur erfordert eine Umgebung, die Experimente und Innovation aktiv fördert. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitenden die Freiheit geben, mit KI-Technologien zu experimentieren, neue Ansätze auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen. Dies schafft nicht nur Raum für kreative Ideen, sondern fördert auch eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und der Anpassungsfähigkeit. Praxisorientierte KI-Workshops wären eine Möglichkeit, durch die Mitarbeiter spielerisch Tools kennenlernen und durch die Gestaltung von Bilder oder Texten ihr Verständnis zur Funktionsweise von KI erweitern können.
AI Culture als aktiven Wandel begreifen
KI ändert die Art und Weise wie Wissen verbreitet wird, neue Ideen entstehen und hat das Potenzial, lästige Routineaufgaben abzulösen. Damit KI einen positiven Beitrag zur Arbeitswelt von morgen leistet, ist die Einbindung von Beschäftigten immens wichtig. Die Unternehmenskultur bestimmt maßgeblich, wie schnell neue Richtungen oder Strategien in einer Organisation eingeführt werden können
Die erfolgreiche Etablierung einer AI Culture ist ein fortlaufender Prozess, der Engagement, Anpassungsfähigkeit und eine klare Vision erfordert. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, profitieren von einer gesteigerten Innovationskraft, effizienteren Prozessen und der Chance, ihr Geschäftsmodell neu zu denken. Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der KI nicht als Bedrohung, sondern als Chance gesehen wird und die es den Mitarbeitenden ermöglicht, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und gemeinsam die Zukunft des Unternehmens zu gestalten. Nur so kann KI ihr volles Potenzial entfalten und einen nachhaltigen Mehrwert für Unternehmen und Gesellschaft generieren.